Neuerwerbungen

Sammlungsschrank mit Naturselbstdrucken

01.09.2016 09:00

Schmetterlingskästchen

 

Sammlungsschrank mit 510 Naturselbstdrucken

von Schmetterlingsflügelpaaren

 

Holzschrank (Fichten- und Kirschbaumholz, gebeizt; Schloßbeschlag aus Eisen; rotes Textil) mit 30 Schubtablaren (Buchen- und Eichenholz; Knäufe aus Messing)

und insgesamt 510 Naturselbstdrucken (Schmetterlingsschuppen) auf chamoisfarbenem Karton, appliziert auf in den Tablaren fixierten Montagebögen

wohl zwischen 1850 und 1900

60,0 x 46,0 x 38,0 cm (Schrank max.)
2,0 x 38,5 x 32,9 cm (Tablare ca.)
32,0 x 38,0 cm (Montagebögen ca.)

Inv.-Nr. 2016.85

 

Wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand dieser sowohl in natur- wie kunsthistorischer Hinsicht äußerst interessante Sammlungsschrank mit insgesamt 510 Naturselbstdrucken von Schmetterlingsflügelpaaren. Die Datierung beruht auf stilistischen Kriterien, wobei die neugotische Machart des Schränkchens, bei der womöglich maschinelle Verfahren zum Einsatz kamen, für eine Datierung ins späte 19. Jahrhundert spricht.

 

 

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Das aus diversen Hölzern zusammengesetzte Schränkchen mit vorderseitig abschließbarer Tür enthält 30 Tablarauszüge. Sowohl die Tür als auch die Seiten des Schränkchens sind mit durchbrochenen, wohl mit einer Dekupiersäge vorbereiteten Schnitzereien im Stil gotischen Maßwerks gestaltet. Die Aussparungen in der Tür wurden zuätzlich mit (erneuertem) rotem Stoff hinterlegt. Der obere Abschluß ist als Kranzgesims mit vorderseitigen Kreuzblumen ausgeführt. Die Naturselbstdrucke wurden auf Karton abgedruckt und dieser auf naturfarbenes Velinpapier appliziert, welches auf den Tablaren fixiert ist.

  

Anders als beim geläufigeren Naturselbstdruck von Gegenständen wie Blättern oder Federn, die zuvor mit Druckfarbe eingefärbt und abgedruckt werden, beruht der Naturselbstdruck von Schmetterlingsflügeln allein auf der Übertragung der farbigen Flügelschuppen auf dafür zuvor mit einer dünnen, klebenden Schicht präpariertes Papier. Flügelhäute und -adern können anschließend vorsichtig abgezogen werden, während die Schuppen auf der Oberfläche kleben bleiben. Ausführlich beschrieben findet sich das Verfahren bereits 1889 in den Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg:

 

Man nimmt ein in der Mitte gefaltetes Blättchen weisses Papier und bestreicht die eine Seite desselben in dünner Schicht mit ziemlich dückflüssigem, weissem Gummi arabicum. Dann faltet man das Papier zusammen und teilt so der anderen Hälfte desselben den Gummi in einer gleich grossen Fläche mit, worauf der Gummi auf beiden Seiten ganz dünn und gleichmässig verrieben wird. Die Flügel der einen Seite eines Schmetterlings werden nun mit einer Pincette in der Weise aufgelegt, wie der Schmetterling dieselben im Fluge zu tragen pflegt, worauf beide Hälften des Papiers wieder zusammengefaltet und durch leisen Druck verklebt werden. Allmählich drückt man die Flügel etwas stärker an, bis der Gummi nahezu trocken geworden und faltet dann das Papier auseinander. [...] Nachdem man nun die Flügelhäutchen abgehoben, wäscht man mit einem Pinsel und Wasser die überstehende Klebmasse ab, trocknet das Blättchen zwischen Fliesspapier und vollendet den Abdruck durch Hineinmalen des Schmetterlingsleibes mit Wasserfarben. So erhält man einen Naturselbstdruck, der rechts die Oberseite, links die Unterseite der Schmetterlingsflügel zeigt oder umgekehrt. Will man aber die Oberseite des ganzen Schmetterlings abdrücken, so ist es nötig, die vier Flügel in richtiger Lage auf ein gummiertes Blättchen zu legen und ein anderes mit Gummi bestrichenes Papier darüber zu decken.[1]



[1] Vanhöffen, Ernst: Ueber das Verfahren, Schmetterlinge als Naturselbstdruck zu konservieren; in: Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, 30. Jg., 1889 (2.5.1889), S. 24-25.

 

Außer dem hier beschriebenen Gummi arabicum werden als Zutaten für die Herstellung der Klebmasse gemäß anderer Quellen auch Collodium (Kollodiumwolle in einer Lösung aus Äther oder Alkohol), Wachs mit Paraffin- oder Ceresinzusatz sowie in Benzin oder Äther gelöstes Wachs empfohlen. Der Druck erfolgt in allen beschriebenen Verfahren zumeist per Hand oder mit einfachen Hilfsmitteln, wie einem Tuch oder einem Glattholz. Als Vorzüge gegenüber anderen Verfahren zur Konservierung und Präparierung von Schmetterlingen werden die Farbenechtheit und die Haltbarkeit der Naturselbstdrucke hervorgehoben.

 

Im vorliegenden Fall wurden jeweils paarweise entweder die Oberseiten oder die Unterseiten der Flügel abgedruckt. Auf das Hinzumalen von Körpern, Beinen und Fühlern wurde gänzlich verzichtet. Bei den auf jeweils einem Tablar aufliegenden Abdrucken handelt es sich weitestgehend um Exemplare derselben Art. Auf Tablar 12 befinden sich etwa die vergleichbaren, aus der Familie der Papilionidae stammenden Arten Schwalbenschwanz und Segelfalter.

 

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Tablar 12 mit 12 Naturselbstdrucken

4 Schwalbenschwanz-Schmetterlinge und

8 Segelfalter

 

Tablar 17 mit 6 Naturselbstdrucken des Erdbeerbaumfalters (Charaxes)

3x Ober- und 3x Unterseite

 

Probleme bereitet oftmals die Wiedergabe von blauen oder blau schillernden Schmetterlingsarten, da die blauen bzw. blau-transparenten Schuppen immer mit braunen Schuppen hinterlegt sind, welche dann beim Abdruck die blauen Schuppen überdecken. Viele blaue Schmetterlinge erscheinen daher im Abdruck braun (vgl. z.B. Tablar 2).

 

Für eine wissenschaftliche Sammlung würde man in der Regel eine schriftliche Erläuterung mit lepidopterologischer (schmetterlingskundlicher) Einordnung erwarten. Möglicherweise ging diese im Laufe der Zeit verloren, alternativ könnte es sich hier um die Sammlung einer Privatperson handeln, die – möglicherweise erst mit zeitlichem Abstand – zu repräsentativen Zwecken in einem Schauschränkchen untergebracht wurde.

 

Vergleichbare Schmetterlings-Sammlungen befinden sich beispielsweise in der Sammlung der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, dort in die Mitte des 19. Jahrhunderts datiert.

 

Verena Schraub

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