11.09.2017 09:00
Ursula Kluge
(tätig um 1920/1930)
Zehn kleine Negerlein
Eine schwarze Geschichte in Wort und Bild geschnitten
um 1930
Mappe aus chamoisfarbenem Karton,
die Vorderseite zweigeteilt mit zwei Stecklaschen am oberen
und zwei Steckschlitzen im unteren Flügelsegment;
beide Flügel mit einer ausgeschnittenen und applizierten
getuschten Zeichnung über Bleistiftvorzeichnung;
einliegend 13 auf festem chamoisfarbenem Karton applizierte
ausgeschnittene Tuschzeichnungen über Bleistiftvorzeichnung
24,8 x 32,0 cm (Mappe)
23,9 x 31,9 cm (Blätter)
Inv.-Nr. 2016.244.000-015
Bei der vorliegenden Folge handelt es sich um ein Unikat, das die biographisch in den einschlägigen Lexika nicht nachweisbare Künstlerin Ursula Kluge möglicherweise im Hinblick auf die geplante Herausgabe eines Mappenwerkes oder eines Buches mit Reproduktionen nach den Entwürfen angefertigt hat – nachweisen ließ sich solch ein Verlagswerk bisher jedoch nicht. Interessant ist die technische Umsetzung, hat die Künstlerin doch nicht wie beim klassischen Scherenschnitt die Darstellungen direkt aus schwarzem Karton ausgeschnitten, sondern diese erst mit schwarzer Tusche über Bleistiftvorzeichnung auf Papier silhouettiert und die so vorgefertigten Zeichnungen dann entlang des Konturs ausgeschnitten und auf einen festen Karton mit aufgezeichneten Hilfslinien für die Positionierung der Schnitte appliziert.
Der Text ist eine Variante des 1885 erstmals auf deutsch erschienenen Kinderbuches "Zehn kleine Negerlein" von F.H. Benary, welches wiederum eine freie Bearbeitung des erstmals 1868 erschienenen Liedes "Ten Little Injuns" (= Indianer) von Septimus Winner bzw. dessen 1869, möglicherweise von Frank J. Green, vorgenommener Umreimung zu "Ten Little Niggers" darstellt. Einzelne Zählmotive des vorliegenden Werkes entstammen entweder weiteren Versionen, die sich über einen langen Zeitraum zahlreich entwickelten, oder sind möglicherweise Erfindungen der Künstlerin selbst. Eine kanonische Version des bis in die jüngste Vergangenheit trotz seines offenkundig rassistisch abwertenden Inhaltes verbreiteten Liedes existiert nicht. Das Werk ist somit nicht nur ob seiner künstlerischen Qualität, sondern auch als kulturgeschichtliches Beispiel einer unreflektierten, kolonialistisch geprägten Perspektive interessant.
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Rudolf Rieger