Neuerwerbungen

Benvenuto Cellini unterweist seinen Assistenten Bernardino Manellini

25.11.2022 09:00


© Woolley and Wallis Salisbury Salerooms

 

Solomon Alexander Hart
(Plymouth 1806 – 1881 London)
Benvenuto Cellini unterweist
seinen Assistenten Bernardino Manellini

 

wohl nach 1841 und vor 1851

Öl auf Leinwand / Holzrahmen

102,0 x 76,5 x 2,3 cm (Gemälde)
118,7 x 93,5 x 7,6 cm (Gemälde inkl. Rahmen)

Inv.-Nr. 2022.140

 

Ganz im Stile des historistischen Künstlerkults porträtierte der jüdisch-englische Künstler Solomon Alexander Hart den Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini gegen Mitte des 19. Jahrhunderts. Nah an den Betrachter gerückt und fast den gesamten Bildraum einnehmend, zeigt sich der Dargestellte mit seinem Assistenten Bernardino Manellini, über den bisher nichts weiter bekannt ist, vor zartblauem Hintergrund im Studium einer kleinen Tonfigur. In seiner linken, am kleinen Finger beringten Hand führt er das beinerne Modellierwerkzeug, welches ihn als Schöpfer des Modells kennzeichnet. Das hier attributhaft beigegebene Bildwerk verweist unverkennbar auf die überlebensgroße Bronzeplastik der Loggia dei Lanzi in Florenz, „Perseus mit dem Haupt der Medusa“ (Abb. 1), die zweifelsohne als Hauptwerk Cellinis gelten darf. Während der jüngere Gehilfe in schlichter orangefarbener Bluse und roter Mütze seinem Meister buchstäblich über die Schulter schaut, präsentiert sich dieser im aufwendigeren bräunlichen Brokatmantel mit rotem Kragen und einem dunkelgrünen Barett aus Samt. Die dort befestigte Edelsteinbrosche - im Detail gestaltet aus einem großen Citrin (?), flankiert von zwei Frauenfiguren und bekrönt von einem kleineren, im Geweih eines Hirschkopfs goldgefaßten Rubin (?) sowie einer herabhängenden Perle - läßt sich bisher nicht als reales Schmuckstück nachweisen. Der zusätzliche Verweis auf Cellinis Goldschmiedearbeiten dürfte aber intendiert sein. Er ordnet sich damit in das weit verbreitete, zeitgenössische Phänomen ein, bei dem zahlreiche Schmuckstücke unklarer Autorenschaft Cellini zugeschrieben wurden. Diesen, wie auch den folgenden Hinweis, verdanken wir Herrn Dr. Paulus (KHM, Wien). Sowohl die Brosche, deren Plazierung bereits ungewöhnlich anmutet, als auch die Kopfbedeckung selbst treffen nur bedingt den Stil der italienischen Mode zu Cellinis Lebzeiten, passen dafür jedoch umso mehr in den zu „kleinen Ungereimtheiten“ neigenden Historismus des 19. Jahrhunderts.

 

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Abb. 1
Benvenuto Cellini
Perseus mit dem Haupt der Medusa
1545-1554, Bronze
Florenz, Loggia dei Lanzi

       
Abb. 2
Caldesi & Montecchi (britisch, tätig in den 1850er Jahren)
Benvenuto Cellini, by S.A. Hart, R.A.
1858, Photographie
23,9 × 18,0 cm
Los Angeles, Getty Museum, Inv.-Nr. 84.XB.582.2.82
Digital image courtesy of Getty’s Open Content Program

 

Als Mitglied der Royal Academy (RA), und demnach Beteiligter der jährlichen Ausstellungen derselben, zeigte Hart das vorliegende Werk im Jahr 1851 dem Londoner Publikum. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich, vom Künstler selbst weder signiert noch datiert, in seiner zeitlichen Entstehung hier verorten läßt. Gleichzeitig gilt anzumerken, daß Hart zehn Jahre zuvor (1841 und 1842) mehrfach in Italien auf Studienreise war. Hier könnten also durchaus entscheidende Eindrücke auf ihn gewirkt haben, die er im Anschluß u.a. in diesem Künstlerporträt verarbeitete. Ein zweites Mal  wurde das Gemälde 1857 in Manchester im Zuge der „Art Treasures Exhibition“ gezeigt. Eine hier entstandene Photographie (Abb. 2) vermerkt als Besitzer Alderman Salomons, zu dessen Person und möglicher Sammlung bisher nichts bekannt ist, der das Werk aber durchaus bereits in der ersten Ausstellung hätte erwerben können. Im Anschluß daran verliert sich die Provenienz, bis das Gemälde in den Jahren zwischen 2010 und 2017 wiederholt im südafrikanischen Auktionswesen auftaucht. LETTER Stiftung konnte das Werk jüngst im britischen Kunsthandel erwerben.

 

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Abb. 3
Joseph Collyer nach Giorgio Vasari
Benvenuto Cellini
1780 – ca. 1827, Kupferstich
London, British Museum, Inv.-Nr. 1889,0409.165
© The Trustees of the British Museum

       
Abb. 4
Giorgio Vasari
Benvenuto Cellini
Detail des Tondo zu Cosimo I. di Medici umgeben von Architekten, Ingenieuren und Bildhauern
1555-1563, Fresko
Florenz, Palazzo Vecchio, Sala di Cosimo
© Wikipedia / Oliver Kotinos

 

Daß auch Cellini im 19. Jahrhundert eine Art Wiedergeburt erfuhr, begründet sich unter anderem in Übersetzungen seiner Autobiographie, die im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert entstanden. Zu den frühesten zählen hierbei die englischen Ausgaben von Thomas Nugent (1771) und Thomas Roscoe (1822), sowie für den deutschsprachigen Raum jene von Johann Wolfgang von Goethe (1803). Daß dies auch für das vorliegende Werk von Relevanz ist, erklärt sich bereits mit dem Eintrag desselben im Ausstellungskatalog der RA, wo mit der Werklistung auch auf Roscoes Übersetzung verwiesen wird. In dessen Ausgabe von 1822 ist ein Porträt Cellinis eingebunden (Abb. 3), das den Künstler im mittleren Alter und mit ähnlichem Bartwuchs wie das Porträt Harts zeigt. Wenngleich die Kopfhaltung, zumal auch ohne Bedeckung, gänzlich anders ist, findet sich hier der bisher einzige Vergleich, bei dem eine bildliche Rezeption zumindest ansatzweise rekonstruierbar ist. Die Darstellungstradition Cellinis zeigt den Künstler ansonsten, beginnend mit Vasari (Abb. 4), als Mann mittleren und fortgeschrittenen, sehr selten nur jüngeren Alters, dessen Physiognomie sich wohl vor allem in der Augen- und Nasenpartie wiedererkennen läßt. Sicherlich ist auch der mit zunehmendem Alter länger werdende Bart von charakteristischer Qualität, jedoch verbinden die Bildnisse hauptsächlich die lange, nach unten gezogene, oft spitze Nase und die großen, häufig leicht eingesunkenen, umschatteten Augen. Darstellungen im weitergefaßten Bildkontext zeigen Cellini des öfteren auch im Arbeitsprozeß und verbinden hierbei sein schriftstellerisches und bildschaffendes Tun. Keines dieser Beispiele ähnelt in seiner größeren Komposition oder kleineren Details Harts Cellini-Bildnis. Die Frage nach möglichen Vorlagen muß also zunächst offen bleiben.

 

Solomon Alexander Hart war der erste jüdische Künstler, der nicht nur als vollwertiges Mitglied in die RA aufgenommen wurde, sondern ab 1854 dort auch als Lehrer und ab 1864 als Bibliothekar tätig war. Obwohl er oftmals religiöse, sprich jüdische, Themen verarbeitete, zeichnet sich in seinem Oeuvre gleichermaßen eine Schwerpunktsetzung zugunsten Historien- und Genredarstellungen sowie Porträts ab. Das vorliegende Bildnis Cellinis darf als weiteres Beispiel seiner motivischen Vielseitigkeit gelten. Insgesamt ist es außerdem ein signifikantes Beispiel des gerade von bildenden Künstlern im 19. Jahrhundert gepflogenen, dabei oft idealisierend porträtierten Rückbezug auf die „Ahnen der eigenen Zunft“.

 

Annemarie Graf

 

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