Neuerwerbungen

August Gaul: Puma

21.09.2015 09:00

"Puma" von August Gaul (1869-1921) und "Léopard" von Antoine-Louis Barye (1795-1875)

 

August Gaul (1869-1921)

Puma

um 1895

Bronze, dreifarbig patiniert; gerahmt

13,1 x 24,5 cm

Inv.-Nr. 2014.121

 

 

Als Inspirationsquelle für August Gauls Interesse an Tierdarstellungen wird in der Forschungsliteratur häufig sein Verlosungsgewinn einer Jahreskarte für den Berliner Zoo im Jahre 1890 kolportiert, die ihm die Möglichkeit eröffnete, neben seiner Arbeit im Atelier und im Naturkundemuseum Tierstudien ad vivum zu betreiben.

 

Gleichzeitig bildete er sich an der Berliner Akademie künstlerisch weiter, indem er 1892-1893 die Malklasse von Paul Meyerheim (1842-1915) besuchte. Dort lernte er Meyerheims Sammlung von Tierplastiken Antoine-Louis Baryes (1795-1875) kennen, welche der Maler seinen Schülern zum Studium zur Verfügung stellte. Die Sammlung gelangte 1915 nach Meyerheims Tod in die (Alte) Nationalgalerie Berlin. In Meyerheims Auswahl der Stücke fällt auf, daß er offenbar eine Vorliebe für in sich beruhigte Darstellungen – Barye schuf ebenso sehr bewegte, teils Tierkampfszenen – hatte. Nicht vertreten im überlieferten Sammlungsbestand ist allerdings jenes Relief des französischen Bildhauers, ein schreitender Leopard, welches Gaul als Inspiration zu seinem "Puma" gedient haben könnte. Das Modell hierzu entwarf Barye bereits 1831, ließ es jedoch wohl erst nach 1845 in Bronze gießen und wie seine anderen Bildwerke durch Verlage vertreiben (vgl. Poletti, Michel / Richarme, Alain: Antoine-Louis Barye. Catalogue raisonné des sculptures; Paris 2000, S. 360, WVZ A 220, Abb.). Er zeigt einen Leoparden im Profil nach links, der in einer ruhigen Schrittstellung verharrt. Sein Kopf ist weit angehoben und das Maul offenkundig brüllend geöffnet, wodurch die eher ruhige Körperhaltung um ein etwas dynamischeres Ausdrucksmoment ergänzt wird.

 

 

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Antoine-Louis Barye (1795-1875)

Léopard

1831

Bronze, einfarbig patiniert; gerahmt

9,0 x 13,5 cm

Inv.-Nr. 2015.110


 

August Gaul hingegen zeigt seinen nunmehr ausschreitenden Puma im Profil nach rechts. Die Schrittfolge variiert Baryes Motiv eines Verharrens in Ausschreitstellung und zeigt den gehenden Puma in entsprechender Körperstreckung. Ganz naturgetreu ist dabei der ohnehin proportional zum Körper eher klein wirkende Kopf nach unten geneigt, wodurch derselbe nochmals etwas kleiner wirkt und damit die Streckung betont. Durch die angedeuteten Muskelpartien erscheint das Tier zugleich kraftvoll und entspannt. Die Tiefenwirkung im Relief mit seinem undifferenzierten Fond realisierte Gaul durch die Darstellung des Pumas selbst – einschließlich der Kopfwendung ins Dreiviertelprofil – und durch die relativ abstrakte, kaum an ein Naturterrain erinnernde Fußlinie der "Szene".

 

Beide Reliefs betonen zwar jeweils unterschiedliche Charakteristika der beiden Raubkatzenarten und wählen verschiedene Motive der Fortbewegung bzw. des Verharrens von Großkatzen, doch stimmen sie hinsichtlich ihrer Komposition, der plastischen Auffassung und nicht zuletzt in der Intimität des Kleinformats weitgehend überein.

 

Eine vergleichbar ruhige, kraftvolle Tierdarstellung findet sich in Gauls vollrunder Plastik eines liegenden Löwen von 1895. Auch wenn jener entspannt auf dem Boden ruht, wird seine Kraft durch die raumgreifende Lagerung des Körpers und die gedehnten Muskelstränge deutlich. In der plastisch so kräftig wie differenzierend durchgebildeten und dadurch lebhaften Oberflächenbehandlung stehen sich Löwe und Puma somit nahe und lassen sich in eine Reihe weiterer Tierstudien Gauls einfügen, die er zu Beginn seiner künstlerischen Karriere schuf. Diese heben sich deutlich von seinen späteren Werken ab, welche auf eine äußere Beruhigung der plastischen Erscheinung zugunsten einer summarischen Erfassung der Einzelformen zur Gesamtform hin abzielen.

 

 

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August Gaul (1869-1921)
Liegender Löwe, 1895
Bronze
7,0 x 20,0 cm
abgebildet in: Gabler, Josephine: August Gaul. Das Werksverzeichnis der Skulpturen;
Berlin 2007, S. 46, WVZ-Nr. 17

 

Ein Wandel in Gauls plastischer Formfindung, vor allem im Relief, ist nach seinem Italien-Aufenthalt im Jahr 1898 zu erkennen. Gewiß kannte er bereits Arbeiten von Adolf von Hildebrand (1847-1921), der seinerzeit noch viel in Florenz wirkte, und hatte sich mit dessen Theorien zum Problem der Form beschäftigt. Gauls – erstmals großformatiges – Relief "Sechs römische Ziegen" aus dem Jahr 1898 verdeutlicht diese Entwicklung: Es zeigt die Tiere in parallel gestaffelten Reliefebenen, ohne daß eine Ziege die andere in deren für den Betrachter bedeutsamen Gesamterscheinung überschneidend, gar verunklärend beeinträchtigte – eine Hauptforderung innerhalb von Hildebrands Relieftheorie. Nunmehr sind die Ziegen selbst eher flächig gehalten und treten in ihrer Körperlichkeit kaum in meßbarer Plastizität hervor, lediglich die Staffelung in verschiedenen Ebenen erzeugt das Raumbild des Reliefs. Anders zuvor im Relief des Pumas, dessen Körper noch deutlich realplastischer angelegt ist; dies ist besonders an der Schulterpartie und an den tiefenräumlich voneinander abgehobenen Beinen erkennbar.

 

Damit ist das bisher in der Forschung unbekannte, entsprechend auch nicht im maßgeblichen Werksverzeichnis von Josephine Gabler aufgeführte Relief des Pumas in Gauls frühe Schaffenszeit zu datieren.

 

Antonia Mentel

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